IT Sicherheit Mythen  Bild © DALL-EIT Sicherheit Mythen (Bild © DALL-E)

Trotz dieser Zahlen und der kontinuierlichen Warnungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) halten sich hartnäckige Mythen in deutschen Unternehmen. Diese gefährlichen Trugschlüsse wiegen Geschäftsführer und IT-Verantwortliche in falscher Sicherheit und machen ihre Unternehmen zu leichten Zielen für professionelle Cyberkriminelle.

Besonders kleine und mittlere Unternehmen zahlen einen hohen Preis für diese Selbsttäuschung. Während Großkonzerne oft über dedizierte Sicherheitsteams und Millionen-Budgets verfügen, verlassen sich KMU häufig auf veraltete Annahmen über Cybersicherheit. Das Ergebnis: Über eine Million der 3,5 Millionen deutschen KMU wurden bereits Opfer von Cyberangriffen – Tendenz steigend.

Mythos 1: "Wir sind zu klein, um ein Ziel zu sein"

Die Realität: Dieser weit verbreitete Irrglaube ist einer der gefährlichsten. Mehr als eine Million der rund 3,5 Millionen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland waren bereits von Cyberangriffen betroffen. Über 40 Prozent der deutschen Unternehmen wurden 2023 Ziel eines Angriffs, wobei KMU besonders im Fokus stehen.

Cyberkriminelle bevorzugen oft kleinere Unternehmen, da diese häufig über schwächere Sicherheitsmaßnahmen verfügen, aber dennoch wertvolle Daten besitzen. Automatisierte Angriffe machen es möglich, tausende kleine Ziele gleichzeitig anzugreifen – Größe spielt dabei keine Rolle.

Mythos 2: "Antivirus-Software reicht als Schutz aus"

Die Realität: Traditionelle Antivirus-Programme erkennen nur bekannte Bedrohungen. Moderne Cyberangriffe nutzen jedoch zunehmend Zero-Day-Exploits und polymorphe Malware, die sich ständig verändert. Die häufigsten Angriffsvektoren sind Phishing (53 Prozent), Angriffe auf Cloud-Services (42 Prozent) und Datenlecks (37 Prozent) – Bereiche, in denen klassische Antivirenprogramme oft versagen. Ein mehrschichtiger Sicherheitsansatz mit Firewalls, Endpoint Detection and Response (EDR), regelmäßigen Updates und Mitarbeiterschulungen ist unerlässlich.

Mythos 3: "Unsere Mitarbeiter würden niemals auf Phishing hereinfallen"

Die Realität: Phishing bleibt mit 53 Prozent der häufigste Angriffsvektor. Moderne Phishing-Angriffe sind hochprofessionell und nutzen Social-Engineering-Techniken, die selbst erfahrene Nutzer täuschen können. Cyberkriminelle sammeln gezielt Informationen über Unternehmen und Mitarbeiter aus sozialen Netzwerken, um personalisierte und glaubwürdige Angriffe zu entwickeln.

Regelmäßige Awareness-Schulungen und Phishing-Simulationen sind entscheidend, um das Bewusstsein zu schärfen und die menschliche Firewall zu stärken.

Mythos 4: "Cloud-Services sind unsicherer als lokale Lösungen"

Die Realität: Paradoxerweise sind professionelle Cloud-Anbieter oft sicherer als lokale IT-Infrastrukturen kleinerer Unternehmen. Große Cloud-Provider investieren Milliarden in Sicherheit und beschäftigen spezialisierte Sicherheitsteams rund um die Uhr.

Allerdings sollten deutsche Unternehmen nicht automatisch zu US-amerikanischen Hyperscalern greifen. Zahlreiche europäische und deutsche Cloud-Anbieter bieten mittlerweile gleichwertige Services zu oft günstigeren Konditionen. Es gibt viele deutsche Alternativen zu Cloudflare sowie europäische Provider, die mit entscheidenden Vorteilen punkten: DSGVO-konforme Datenverarbeitung, lokale Rechenzentren und direkter Support in deutscher Sprache.

Lokale Cloud-Anbieter verstehen die spezifischen Compliance-Anforderungen deutscher Unternehmen besser und können schneller auf regulatorische Änderungen reagieren. Zudem bleiben die Daten im europäischen Wirtschaftsraum, was rechtliche Unsicherheiten bezüglich Datentransfers in Drittländer vermeidet.

Das eigentliche Problem liegt meist in der falschen Konfiguration von Cloud-Services, unabhängig vom Anbieter. 42 Prozent der Angriffe zielen auf Cloud-Services ab, oft aufgrund mangelhafter Einstellungen oder schwacher Zugriffskontrollen. Die Verantwortung für die sichere Nutzung liegt beim Kunden, nicht beim Anbieter.

Mythos 5: "Backups schützen uns vor allen Angriffen"

Die Realität: Backups sind zwar essenziell, aber kein Allheilmittel. Viele Unternehmen wiegen sich in falscher Sicherheit, weil sie regelmäßige Backups erstellen. Doch moderne Ransomware-Angriffe zielen gezielt auf Backup-Systeme ab und verschlüsseln oder löschen diese vor dem Hauptangriff.

Zudem decken Backups nur einen Teil der möglichen Schäden ab. Bei Datendiebstahl, Industriespionage oder Compliance-Verletzungen helfen Backups nicht. Die Wiederherstellung nach einem Angriff dauert oft Wochen, während derer das Geschäft stillsteht und Kunden verloren gehen.

Eine effektive Backup-Strategie erfordert die 3-2-1-Regel: drei Kopien der Daten, auf zwei verschiedenen Medientypen, mit einer Kopie offline oder an einem anderen Standort.

Die Kosten des Nichtstuns

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Deutsche Unternehmen verloren 2023 über 205 Milliarden Euro durch Cyberangriffe. Diese Summe umfasst nicht nur direkte Schäden, sondern auch Betriebsausfälle, Reputationsverluste und rechtliche Konsequenzen.

Kleine und mittlere Unternehmen sind besonders verwundbar, da sie oft nicht über die Ressourcen für umfassende Sicherheitsmaßnahmen verfügen. Gleichzeitig können sie sich einen größeren Sicherheitsvorfall noch weniger leisten als Großunternehmen.

Praktische Schritte für besseren Schutz

Statt sich auf Mythen zu verlassen, sollten Unternehmen einen realistischen Sicherheitsansatz verfolgen:

  • Risikobewertung: Identifizieren Sie Ihre wertvollsten Daten und größten Schwachstellen
  • Mehrschichtige Sicherheit: Kombinieren Sie technische Lösungen mit organisatorischen Maßnahmen
  • Mitarbeiterschulungen: Investieren Sie in regelmäßige Awareness-Programme
  • Incident Response Plan: Bereiten Sie sich auf den Ernstfall vor
  • Regelmäßige Updates: Halten Sie alle Systeme und Software aktuell

Realismus statt Mythen

Die Bedrohungslage in Deutschland bleibt angespannt, und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt kontinuierlich vor steigenden Risiken. Unternehmen, die sich auf überholte Sicherheitsmythen verlassen, machen sich zu leichten Zielen.

Effektive IT-Sicherheit beginnt mit der Erkenntnis, dass jedes Unternehmen – unabhängig von Größe oder Branche – ein potenzielles Ziel ist. Nur wer die Realität der Cyber-Bedrohungen anerkennt und entsprechend handelt, kann sein Unternehmen langfristig schützen. Die Investition in umfassende Sicherheitsmaßnahmen ist deutlich günstiger als die Bewältigung der Folgen eines erfolgreichen Angriffs.