Immer mal wieder traut man sich auch Kleinserien zu starten. Und das in fast allen Gehäusebereichen und auch in der Farbauswahl. Wir erinnern uns gern an die „Red Lady“ aká PC-V1020 zurück. Doch beim heute im Fokus stehenden Lian Li PC-90 geht es nicht ums Design, nicht um die Farbe – es ist das Innenleben was es besonders interessant macht. Ob sich Lian Li`s Interpretation eines kompakten HTPX Cases im Format eines etwas größeren Midi Towers für unter 200€ in der Praxis jedoch gut schlägt bleibt abzuwarten. Denn welcher HPTX User, der tausende von Euro für solch ein System ausgibt, sollte beim Gehäuse auf einmal knausrig werden und Geld bzw. Platz sparen wollen. Und wenn schon nicht der gemeine HPTX User anbeißt, was hat der Otto-Normal-ATX User von einem Case wie dem PC-90, welches in den Gefilden von etablierten und geräumigen ATX Gehäusen wildert. Wir sind sehr gespannt wie sich dieses spezielle Gehäuse schlagen wird, das alles etwas anders macht.

An dieser Stelle bedanken wir uns bei Lian Li und Caseking für die Bereitstellung des Testmusters.

Impressionen: Außen The Hammer prangt groß auf dem Karton. Packt hier Lian Li wirklich den Hammer aus? Was die Größe im Vergleich zu anderen Lian Li Gehäuse angeht, hat man es hier allerdings höchsten mit einem Hämmerchen zu tun. Doch Lian Li will mit dem PC-90 ein äußerst schlagfertiges Gehäuse an den Mann bringen. Und dass soll durch den Namen schnell zum Kunden getragen werden.
So überrascht es beim Auspacken nicht mehr, dass man hier ein erstaunlich kleines Gehäuse in der Hand hält, welches aber so einiges an Hardware einstecken will. Aber fürs erste wollen wir uns mit dem Äußeren des The Hammer befassen. Dieses ist Lian Li typisch sehr klassisch und dezent gehalten. Das Gesamtbild ist also erst mal sehr Kantig. Einzig die Front weiß mit abgerundeten Ecken etwas Schwung ins Design zu bringen, welches sich sonst sehr im Hintergrund aufhält. Im Raum fällt das PC-90 nicht gleich auf. Aber genau da sind Attribute die die vermeintliche Zielgruppe sucht. Von vorn besticht das Gehäuse im Midi-Tower Format durch gebürstetes Aluminium und ist in unserem Fall, wie das Gehäuse generell, schwarz eloxiert. Der Großteil der dicken Aluminiumplatte an der Front wird dabei von Lüftungslöchern dominiert, welche stark an das Schreibmuster eines CD Lasers erinnern. Direkt dahinter liegen die zwei 140 mm Lüfter inkl. Staubschutz. Für eine ausreichende Belüftung nach innen ist also gesorgt. Im oberen Drittel tummeln sich dann letzten Endes noch zwei 5,25 Zoll Schächte, wovon einer mit einer Klappe für DVD/CD/BD Laufwerke ausgestattet ist.

Dazwischen versteckt Lian Li noch ein Frontpanel, welches unscheinbarer wohl kaum umzusetzen ist, wenn es sich nicht gerade hinter einer Klappte verbirgt. Der taiwanesische Minimalismus beschert dem User neben dem obligatorischen Mic- / Headphonejack gerade mal zwei USB 3.0 und einen eSata Frontanschluss. Damit fährt man bei der Konnektivität in diesem Bereich absolutes Minimum auf. Für ein Gehäuse dieser Klasse hätte es schon etwas mehr sein können, denn zwei Anschlüsse sind meist schneller besetzt als einem lieb ist und bitte wer nutzt ernsthaft eSata? Richtig verzwickt wird es wenn man den Power- und Resetbutton sucht. Diese sind wahrlich winzig geraten und verstecken sind hinter zwei kleinen Silikonstreifen, welche wir anfangs nur für die Power und HDD LED gehalten haben. Das ist zwar im Prinzip ein schicke Idee, an der Umsetzung dieser sollte Lian Li unserer Meinung nach aber nochmal arbeiten. Denn durch das Silikon ergibt sich ein sehr weicher Druckpunkt, welcher gewöhnungsbedürftig ist und auch manchmal Feedback vermissen lässt. Dann ist der einzige Anhaltspunkt ob der PC nun startet oder nicht die LED in selbigem Knopf.
Auf dem Dach geht’s genau so schlicht und unaufgeregt weiter. Das einzige was die klaren Linien unterbricht ist der im Auslieferungszustand verschlossene Deckel des optionalen 140 mm Lüfters. Sollte man an dieser Stelle einen Lüfter einbauen wollen, muss darauf geachtet werden, dass Lian Li für diesen kein zusätzliches Lüftergitter beilegt.

Das Heck unterstreicht Lian Li‘s klassisches Design. Ein obenliegendes Netzteil ist in der gehobenen Mittelklasse ein nun mehr sehr seltenes konstruktives Detail. In den meisten Fällen wird dieses heute unten verbaut. Aber auch hier gibt es Verfechter, die sich über genau diesen Punkt freuen werden. Und zu mindestens was den thermischen Haushalt angeht ist ein obenliegendes Netzteil noch nie eine verkehrte Sache gewesen. Die Hauptarbeit wird dabei aber noch immer der 120 mm Lüfter übernehmen, der sich direkte unter dem Netzteil befindet. Um dann aber noch nicht ganz aktuelle Trends aus dem Auge zu verlieren hat man immerhin an Schlauchdurchführungen gedacht. Der dabei verwendete Gummi ist aber leider immer noch so weich, dass dieser schnell herausfällt.
Insgesamt kann man beim neuen PC-90 von Lian Li qualitativ nicht viel aussetzten. Der taiwanesische Hersteller weiß einfach wie man mit Aluminium umzugehen hat. Das eher schlichte Design kann man ebenfalls nicht bemängeln, ist es doch das Markenzeichen der Firma. Einzig das Frontpanel ist uns etwas zu viel Minimalismus.



Impressionen: Innen
Das öffnen des Seitenteils brachte uns im Fall des PC-90 nicht den gewohnten Einblick in ein Gehäuse wie man ihn gewohnt ist. Denn hat man erst mal die eine Wand abgenommen, steht man vor der nächsten. Das was man hier zu Gesicht bekommt sind die neuen HDD Rahmen des Gehäuses. Genauer besteht diese aus zwei einzelnen Schienen über denen jeweils bis zu 6 Festplatten untergebracht werden können. Auf der vorderen Seite, jene die nach außen zeigt, lassen sich bis zu drei 2,5 oder 3,5 Zoll Laufwerke unterbringen. An der dem Mainboard zugewanden Seite nochmal drei 2,5 Zoll Festplatten. Damit bietet man ganze 12 Festplattenplätze auf sehr kompakten Raum. Ein klassischer Gehäuseaufbau müsste für diese Kapazität erheblich größer gestaltet werden. Zwischen den beiden Schienen befindet sich noch ein zusätzlicher Steg, welcher für sich noch über eine weitere Abdeckung verfügt. Das klingt vielleicht alles etwas kompliziert, erfüllt aber super seinen Zweck. Denn während auf der ersten Platte eine passende Kabelhalterung für die ganzen Kabel ist, die in dieser Konstellation anfallen können, deckt die obenliegende das ganze Kabelwirrwar wie ein Deckel ab. Man verlegt die Kabel also im Zwischenraum der beiden Bauteile. Auch Lian Li’s Grafikkartenhalterung ist hier untergebracht.


Hat man auch diese Wand entfernt, ist endlich der Blick frei auf den gigantischen Innenraum, den man sonst bei keinem Gehäuse dieser Größe findet. Ausgelegt ist dieser sogar für HPTX Mainboards, was das Lian LI PC-90 zu einem der kleinsten Tower macht, der solch ein Hardware Monster aufnehmen kann. So langsam erklärt sich damit auch der Name des Gehäuses – The Hammer. Denn hier kann man auf kleinsten Raum ein echtes Rechenmonster einbauen. Auch mit Grafikkarten bekommt man hier keine Probleme, denn man hat nahezu die komplette Tiefe des Gehäuses dafür zur Verfügung. Die in der Front verbauten und entkoppelten zwei 140 mm Lüfter sorgen auch für entsprechende Frischluft, ohne irgendeine Wand aus Festplattenrahmen hinter sich zu haben. Der Luftstrom ist durch den inneren Aufbau sehr gut gelöst. Dafür hat man jedoch auf der anderen Seite auf fast jegliche Form des Kabelmanagements verzichtet – abgesehen vom Festplattenbereich. Von daher ist man also mehr oder weniger gezwungen sich etwas mehr einen Kopf über die Verkabelung zu machen, als man es sonst gewohnt war – sofern man darauf Wert legt.  Denn das gute Kühlkonzept bringt nichts wenn am Ende statt der Festplatten alle Kabel im Weg hängen.



Desweiteren fallen uns noch die zwei großen Löcher im Mainboardtray auf, welche vor allem die Montage von Kühlern erleichtern sollen. Bei der Verwendung eines HPTX Mainboards mit zwei Prozessoren erklärt sich auch die Anzahl der Löcher. Und auch die Anzahl der Erweiterungsslots zielt auf diese Eigenschaft ab, und so bieten sich zehn an der Anzahl zur Nutzung an. Aufgrund der um die Slots vorhanden Bohrungen vermuten wir, dass die Rückwand für den Einsatz von Lian Li’s schraubenloser Haltevorrichtung ausgelegt ist, welche aber serienmäßig nicht montiert ist. Der 120 mm Lüfter auf der Rückseite ist wie seine Frontkollegen vom Gehäuse entkoppelt und nach innen mit einem Lüftergitter geschützt. Doch Lian Li entkoppelt diesmal nicht nur die Lüfter, sondern auch beide 5,25 Zoll Schächte. Was aber auf den ersten Blick perfekt für die Montage von CD/DVD Laufwerken geeignet ist, zeigt sich bei der Montage von Lüftersteuerung oder der Gleichen als Handycap. Denn diese können nur recht wacklig montiert werden, da der Schacht durch die Entkopplung etwas breiter ist als üblich ist. Somit hängen diese Einbauten etwas in der Luft.




In punkto Verarbeitung kann der Innenraum überzeugen. Anderes hätte uns bei Lian Li auch stark überrascht. Man strotzt mit dem PC-90 zwar nicht vor Features, auch ein lackierter Innenraum hätte dem Case zum Beispiel sehr gut gestanden. Dafür bietet man Platz für mächtige Hardware und das bei einer doch sehr kompakten Gehäusegröße.

Praxis Erfahrungen:

Auch wenn wir wie zu erwarten war keine Probleme mit dem Einbau unserer fast schon mickrig wirkenden Testhardware hatten. So ergaben sich doch ein paar Dinge die man bei der Montage der Wunschhardware beachten sollte. So wirken selbst ATX Platinen auf dem riesigen HPTX Mainboardtray schnell etwas verloren. Und deren Verkabelung gestaltet sich, sofern man die Kabel nicht einfach wild durchs Gehäuse legen will, auch etwas umständlich. Bei unserem ersten Versuch wollten wir uns das zweite kleinere Loch im Mainboardtray zu Nutze machen und es als Kabelöffnung missbrauchen. Jedoch scheiterte dies daran, dass es am Übergang zwischen Rahmen und Mainboardtray einfach zu wenig Platz gibt um dort Kabel lang zu führen. Eigentlich schade, denn hinter dem Tray wäre eine Menge Platz dafür. Also bleibt einem nur die direkte Verlegung nach unten, wie man es noch aus guten alten Zeiten gewöhnt ist, oder man ist glücklicher Besitzer langer Anschlusskabel und kann diese bis nach vorne zu den 5,25 Zoll Schächten ziehen. Denn dort ist wiederrum so viel Freiraum, dass man einen dicken Kabelstrang neben den Lüftern runterziehen könnte.


Der nächste Knackpunkt, welcher bei diesem Gehäuse am Layout liegt, betrifft die neuen Festplattenkäfige an der Seite. Die Versorgung mit Strom ist dabei das geringe Problem, denn das Kabel kann direkt vom Netzteil oben in den Kanal einschoben werden. Eher ist man gezwungen die üblicherweise 0,5m langen Sata Kabel der Festplatten quer durch das Gehäuse zu legen. Denn wenn man nicht gerade längere Kabel daheim hat, welche man vielleicht über den Boden verlegen kann, wird man mit diesem Sata Strang im Gehäuse leben müssen. Ein weiterer Nachteil des Layouts ist auch die schnelle Erreichbarkeit der Hardware. Wenn man mal den Speicher tauschen will heißt es erst mal die Festplatten entkabeln, den Tray ausbauen, und erst dann kommt man an den Speicher. Dahingehend baut das Case eher darauf, dass die einmal verbaute Hardware vom User nicht alle paar Tage gewechselt wird. Sonst wird daraus schnell mehr Frust als Freude.
Im Betrieb zeigte sich das PC-90 dann aber wieder von seiner besten Seite. Die Lüfterwahl von Lian Li ist gelungen. Die 140 mm Lüfter sind  im 12V Betrieb nur im Nahfeld wirklich wahrnehmbar. Sobald noch die restliche Hardware mit werkelt  hört man diese so gut wie nicht mehr heraus. Ein runter regeln auf 7 oder gar 5V ist somit unserer Meinung nach nicht nötig. Einzig der hintere 120 mm Lüfter vermag sich mit seiner höheren Drehzahl etwas in den Vordergrund drängen. Ist dabei aber nie Störend in seiner Geräuschkulisse.



Da es sich im Fall des PC-90 anbot haben wir an dieser Stelle auch einen der seltenen Wakü-Umbauten probiert. Selten deswegen, weil sich der Aufwand für solch einen Test nicht bei jedem Gehäuse lohnt, es geschweige denn möglich ist. Doch bei diesem Gehäuse war einer unserer ersten Gedanken, als wir den Innenraum betrachteten: „ Hier müsste doch recht passend eine Wakü für High End ATX Systeme reinpassen?“. Die wichtigste Wahl beim PC-90 betrifft den Radiator. Prinzipiell eignet sich das Case für die Montage von zwei 280er Radiatoren. Dabei ließe sich einer in der Front und einer extern auf dem Dach montieren. Da wir aber nicht die Optik zerstören wollten entschieden wir uns für einen komplett internen Aufbau mit einem einzelnen 280er Radiator. Da in der Tiefe auch genug Platz vorhanden ist, spielt die Tiefe des gewünschten Wärmetauschers keine Rolle. Der knackpunkt der Montage sind eher die gegebenen Abstände der montierten Frontlüfter. Hier stellte sich heraus, dass diese perfekt mit den Bohrungen auf unserem Hardwarelabs Black Ice SR-1 übereinstimmten. So konnte der komplette Wärmetauscher entkoppelt in der Front montiert werden. Damit ist auch das schwierigste schon getan. Denn im gut dimensionierten Innenraum des PC-90 ist das Verlegen von Schläuchen ein leichtes. Wer will bekommt den Einbau sogar wirklich komplett intern hin, da uns dafür der passende Ausgleichsbehälter fehlte, musste dieser nach außen verlegt werden. Dort kann man sich die Bohrungen in der Rückwand sehr zu Nutze machen und die AGB Halterung befestigen. In unserem Beispiel ist es so problemlos möglich einen übertakteten AMD Phenom 2 X6 1100T und eine AMD Radeon HD6970 zu kühlen ohne viel Lärm zu haben.
Alles in Allem zeigt der neuartige Aufbau hier seine enorme Stärke. Denn obwohl das Gehäuse kleiner ist als z.B. ein Corsair Carbide 500R bietet es wesentlich mehr Platz. Dafür muss man aber Abstriche bei den Servicequalitäten machen. Und auch für eine Wasserkühlung ist das Gehäuse gut nutzbar, da es an den entsprechenden Stellen genug Platz bietet.


Fazit: Wer bisher immer davon ausgegangen ist, dass viel Hardware auch immer ein großes Case voraussetzt, der wird spätestens mit dem neuen PC-90 von Lian Li eines Besseren belehrt. Denn mit seinen Abmaßen, die nur unwesentlich größer sind als ein Midi-Tower, lässt sich allerhand in dem Case unterbringen. Allen voran die HPTX Kompatibilität für Mainboards mit zwei CPU Sockeln. Wer allerdings nur ein ATX Mainboard verbaut, und das werden die Meisten sein, wird mit ungewöhnlich viel Freiraum beglückt. Das neue Festplattenkonzept macht es möglich und gefällt uns sehr, auch wenn es den Service am PC etwas verkompliziert. Jedoch stehen wir dem PC-90 sehr gespalten gegenüber. Zum einen stellen wir in Frage, ob sich HPTX User dieses Gehäuse kaufen würden, wenn sie zum Beispiel von Xigmatek ein größeres HPTX Case bekommen können,  und zum anderen gibt es für ATX User Alternativen wie Corsairs Graphite 600T. Am Ende bleibt Lian Li’s „The Hammer“ PC-90 zweifelsohne ein innovatives und vor allem geräumiges Case, ohne einen enormen Platzbedarf in Anspruch zu nehmen und bietetdabei noch das sehr beliebte klassische Aluminium Design. Jedoch besetzt man mit diesem Case eine Nische aus sehr spziellen Wünschen. Die Empfehlung für das Gehäuse fällt so ebenfalls sehr speziell aus, denn für den gemeinen ATX User gibt es mehrere Alternativen. Kommt es aber auf spezielle Fälle, wie den Einbau einer Wakü an, ist das Gehäuse durchaus einen Blick wert. Den Preis von derzeit ca. 180€ halten wir für das gebotene durchaus für angemessen.