Dieses Dromedar hält sich seit Jahren in der  Spitzenriege der Politiker, sie wird mehrmals pro Woche den  Fernsehzuschauern zugemutet und sie darf zu jedem Thema ein Interview  geben, ob sie ausnahmsweise tatsächlich etwas davon versteht oder nur  nachplappert, was Parteistrategen im Hintergrund als Meinung vorgeben.  Trotzdem, die Frau verdient Geld! Als Lehrerin oder Richterin würde sie  niemand beachten, da wäre sie eine als Farbtupfer verkleidete graue  Maus. So aber steht sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, hat  Dienstwagen mit Chauffeur, den die Partei nach Bedarf stellt. Zu teuren  Banketten, zu großen Empfängen wird sie ganz selbstverständlich geladen.  Karten für die Festspiele in Bayreuth? Kein Problem für eine Claudia  Roth.
 Für diese Dame wäre ein Abstieg aus der  Parteispitze die Vertreibung aus Schlaraffenland und Paradies. Dann wäre  sie nicht einmal mehr “das Dromedar”, sondern eine Frau, die übersehen  wird. Also wird diese Dame alles tun, um sich an der Parteispitze zu  halten. 
Der Verfassungsschutz braucht sie nicht zu bezahlen, sie empört  sich freiwillig selbst an den richtigen Stellen, im vorauseilenden  Gehorsam, um ihre Pöstchen und die öffentliche Aufmerksamkeit zu  behalten.
 Es geht nicht ums Gewissen, nicht um eigene  Überzeugungen oder Weltanschauungen, es geht ausschließlich um Pfründen  und Dienstwagen, um Pöstchen und Macht. Die eigenen Parteimitglieder  sind eine Schafherde, die dem Hirten willig zu folgen hat,  zusammengehalten von Hütehunden, die hoffen, selbst einmal zu Hirten  aufzusteigen. Die Wähler haben noch weniger Rechte. Sie dürfen  Kandidaten ankreuzen, die ihnen die Parteien vorgeben, sie dürfen eine  Liste ankreuzen, die von den Parteien nach deren Bedürfnissen  zusammengestellt worden sind. Nicht das Gewissen stellt Kandidaten auf,  sondern die Partei. 
Wer in der Gunst der Partei steht, wird alles tun,  um sich diese Gunst zu bewahren.
 Eine Lehrerin hat ein sicheres Beamtengehalt,  jedoch kaum Entfaltungsmöglichkeiten. Der Unterrichtsstoff ist  vorgegeben, ihre Lehrmethoden reglementiert, die Schüler [...] nehmen die blöde  Schlampe nicht ernst, die Eltern hetzen Anwälte auf sie und die  Vorgesetzten geben Druck von oben gerne weiter. Als Abgeordnete  verdoppelt die Dame gleich mal ihr Gehalt, jetzt wird sie hofiert, jetzt  hört man ihr zu. Jetzt darf sie sogar für ihre Partei in einem  Unterausschuß über die Vorzüge und Nachteile der Silage-Zufütterung für  Nutztiere befinden. Egal, welcher Partei sie angehört, sie hat den  Wechsel von der unteren Mittelschicht in die Oberschicht vollzogen. Noch  türmen sich keine Millionen auf ihrem Konto, aber sie sitzt bereits am  Tisch der Reichen. Noch einmal zurück in die Hölle des Schuldienstes?  Nie und nimmer! Die Dame ist ab sofort gekauft, korrumpiert von der  Macht.
 Und doch, es ist nur der Eingangsbereich, der  Katzentisch im Schlaraffenland, für Neuankömmlinge, ganz nahe am Tor,  das zurück führt nach Sibirien. Zehn, fünfzehn Jahre treuer Dienste,  kuschen vor Herrchen, Pfötchen geben bei Frauchen, Knurren und Bellen  bei Eindringlingen und auf Kommando zubeißen, das bringt den Hütehund  voran. Außerdem die Königs-Disziplin, das Auslegen von Tretminen und  Fettnäpfchen für die lieben Parteifreunde, die gnadenlosen Konkurrenten  um den Aufstieg. Freundschaft ins Gesicht heucheln, doch den Dolch im  Gewande bereithalten, sobald sich die Gelegenheit bietet.
 Der Weg an die Spitze ist nicht leicht, doch wer  es schafft, hat sich so hoch über die Niederungen der Partei erhoben,  daß er die Probleme der Parteimitglieder wie durch ein Fernglas sieht.  Für die einstigen Arbeiter war es eine überraschende Erfahrung, als  Sozialdemokraten, die es zum Minister geschafft haben, fortan  zuallererst Minister waren und erst in zweiter Linie Sozialdemokraten.  
Erbittert reimten die verprellten Genossen damals: “Wer hat euch  verraten? Sozialdemokraten!”
 Moderner ist der Spruch: “Außen Minister, innen  grün”, mit dem ein “Er ist einer von uns”-Gefühl erzeugt werden sollte.  “Außen Minister, innen hohl” wäre genauso gerechtfertigt, und diesmal  beziehe ich es nicht auf die fehlende intellektuelle Qualifikation. Wer  es in diese Höhe geschafft hat, ist eine ausgehöhlte Persönlichkeit, in  die der Geist der Macht eingezogen ist. Keiner von uns, sondern ein  Besessener, jemand, der seine Seele verkauft hat, allerdings zu einem  fürstlichen Preis.